Die Überschrift ist ein bisschen streng. Dennoch, dieser Satz ist nicht gelogen oder falsch. Präziser gesagt: Alle kuppelbaren Seilbahnen, welche die Giovanola-Kuppelklemme verwenden, müssen entweder stillgelegt oder ersetzt werden. Der Grund, weshalb das so ist, möchte ich hier auf einfache Weise erläutern.

Gravierend an der Giovanola-Klemme ist, dass sie über vier Laufrollen verfügt. Moderne Klemmen besitzen lediglich zwei Laufrollen auf der äusseren Fahrbahnseite, die Giovanola-Klemmen hingegen auch zwei Laufrollen auf der inneren Seite. Wenn das Förderseil aus den Rollen entgleist, so fällt es im optimalen Fall in die Seilfänger. Heute wird gemäss der Norm SN EN 12929-1 verlangt, dass Klemmen diese Seilfänger befahren können – natürlich mit erheblichem Verschleiss aller Teile. Dies ist bei der Giovanola-Klemme aufgrund der inneren zwei Laufrollen technisch unmöglich.

Problemdarstellung

Des Weiteren ist es bei der Giovanola-Klemme technisch nicht machbar, eine Klemmkraftfunktion bei laufendem Betrieb in jeder Station einzubauen – ein System, das heute ebenfalls bei Neuanlagen standardisiert ist. Die alte Männlichenbahn wirkte dem mit einer eigens entwickelten Prüfstelle entgegen. An dieser Prüfstelle wurden die Klemmen jeden Monat manuell geprüft.

2016 wurde zwischen dem BAV (Bundesamt für Verkehr) und Seilbahnen Schweiz das Thema gründlich behandelt. Zum Schluss kam man zu dem Ergebnis, dass kuppelbare Seilbahnen mit Giovanola-Klemmen aufgrund der oben genannten Gründe nicht mehr dem Stand der Technik entsprechen und daher nicht mehr den heutigen Normen genügen. Daraufhin wurde beschlossen, dass alle solche Anlagen spätestens bis Ende 2025 den Betrieb einstellen müssen. 2016 waren acht Anlagen davon betroffen, mittlerweile sind es nur noch deren fünf.

Eine weitere Hürde für die betroffenen Seilbahnunternehmen wurde erst vor einiger Zeit vom Bundesverwaltungsgericht festgelegt. Seilbahnen müssen sicher sein und den aktuellen Normen entsprechen. Tun sie das nicht, muss eine Risikoanalyse erstellt werden. Die betroffenen Seilbahnunternehmen erhielten demnach vom BAV die Anweisung, ihre Anlagen mit dem System Giovanola bis Ende 2020 durch den Hersteller überprüfen zu lassen. Erst danach wird die Nutzungsdauer, die vom BAV bis Ende 2025 festgelegt wurde, verlängert.

Früher oder später fungieren Giovanola Klemmen nur noch als 80 Kilo Möbelstücke

Jetzt könnte man meinen, es sei einfach, die Bahnen so umzubauen, um diese Norm zu umgehen und die Nutzungsdauer zu verlängern. Das ist technisch zwar möglich, aber nach den aktuellen Normen nicht zulässig. So könnte man z. B. eine magnet-induktive Seilüberwachung einbauen. Diese Überwachung erkennt eine fehlerhafte Position des Förderseils auf der Seilrolle. Sobald das Seil aus der Rolle läuft, verlangsamt die Anlage automatisch oder stoppt umgehend, wodurch ein Entgleisen unmöglich ist. Auf dieses System setzte Yan Lift als weltweit erste Firma bereits Anfang der 90er, da ihre Klemme wegen zwei auf beiden Seiten hinausragenden Kuppelhebeln keine Seilfänger befahren konnte. Das grosse Problem daran ist heute, dass dieses System nicht genormt ist. Theoretisch müsste man das System „Seillageüberwachung“ heute schon einbauen und mittels einer Risikoanalyse bestätigen, dass sich das Risiko durch die Abweichung von der Norm nicht erhöht. So könnte die Nutzungsdauer tatsächlich verlängert werden. Ob das ein Betreiber und zertifizierter Hersteller macht, ist sehr fraglich und daher unwahrscheinlich.

Verlassene Klemme im ehemaligen Skigebiet Super Saint Bernard (Foto 2015)

Aus historischer Sicht ist dies ein herber Verlust für das Seilbahnland Schweiz. Insbesondere, da die Klemme 1950 zum ersten Mal eingesetzt wurde und dadurch mehr als 70 Jahre Bestandteil der Schweizer Alpen war. Mir persönlich ist kein einziger Unfall bekannt, bei dem eine Giovanola-Klemme samt Betriebsmittel aufgrund der oben genannten Gründe verunglückt ist.

Fazit ist, dass kuppelbare Seilbahnen mit dem System Giovanola in der Schweiz aufgrund der bis Ende 2025 endenden Nutzungsdauer trotz historischem Wert stillgelegt oder ersetzt werden müssen. Unten befindet sich eine Auflistung der aktuell letzten Umlaufbahnen nach dem System Giovanola in der Schweiz.

Die Fundamente für die heute so bekannte Giovanola Klemme stellte nicht etwa Schweizer Konstrukteure auf, nein, es war ein französisches Unternehmen. Die Firma des Brevets Français d’Equipement Touristique entwickelte 1948 eine VR101 ähnliche Kuppelklemme für Einseilumlfaubahnen. In der Französischen Ortschaft Thollon sollte daraufhin eine solche Seilbahn gebaut werden. British Ropeway Engineering Company, kurz Breco und Giovanola aus Monthey bekamen schliesslich den Auftrag diese Seilbahn mit der französischen Klemme zu bauen. Giovanola hatte den Auftrag, die Klemmen herzustellen. Breco konzentrierte sich auf die Streckenbauwerke und Stützen. Der Bau begann im Jahr 1949. Ein Jahr später erhielt Giovanola einen Auftrag im Schweizer Verbier ebenfalls eine kuppelbare Einseilumalfubahn zu erstellen. Fast gleichzeitig wurden aber schwerwiegende Mängel im Bereich Sicherheit in Thollon bei der bisherigen französischen Klemme festgestellt. Die Schweizer Behörden liessen darum den Bau mit der selben Klemme in der Schweiz nicht zu. Giovanola war also gezwungen, innert kürzester Zeit die Klemme umzubauen. Geringe vier Wochen dauerten die Arbeiten bei Giovanola, ehe die heutige Klemme geboren war. Fortan setzte man bei jeder kuppelbaren Anlage Giovanolas solche Klemmen ein. Auch jene Bahn in Thollon wurde sofort umgebaut. Die britische Firma Breco profitierte von der neuen Klemme und erhielten eine Lizenz für den Einbau dieser «neuen» Klemme.

Die Giovanola Klemme basiert auf einem ganz einfachen und unterhaltsarmen Schwerkraftprinzip. Grob gesagt bilden drei Teile die ganze Mechanik in der Klemme. Ein starres Gussstück, welches das Gehäuse darstellt, ein in der Z-Achse bewegliches Gussstück und ein Mitnehmer, welcher mit dem Druckbolzen der inneren beweglichen Klemmbacke verbunden ist. Das in der Z-Achse bewegliche Gussstück ist direkt mit dem Gehängearm und dem Fahrbetriebmittel verbunden. Es ist im Gehäuse durch vier Nadellager gelagert und hat die Aufgabe durch einen gefrästen Schlitz den Mitnehmer, sprich den Druckbolzen zu betätigen. Die Kuppelrolle ist ebenfalls fix mit dem beweglichen Gussstück befestigt.

Beim Anheben der Kuppelrolle wird der Druckbolzen betätigt und entlastet die innere Klemmbacke. Mithilfe von zwei kleinen Schraubenfedern, verschiebt sich die innere Klemmbacke und kuppelt sich vom Förderseil ab. Umgekehrt fällt die Kuppelrolle samt Fahrbetriebsmittelgewicht nach unten, so kuppelt sich die Klemme an, womit die Klemmkraft rein durch das Gewicht erzeugt wird. Je mehr Leute in der Kabine sitzen, desto grösser ist die Klemmkraft. Weil in der Theorie ein Windstoss von unten gegen den Kabinenboden die Klemme aus dem Förderseil aushebeln könnte, baute Giovanola eine Sicherung in Form eines kleinen Hebels ein. Dieser Hebel muss während den Kuppelphasen durch eine Schiene angehoben und damit betätigt werden.

Viele Hersteller hatten die Lizenz die Giovanola Klemme zu verbauen. Die bekanntesten darunter sind die Firmen Habegger, Städeli, PHB, Ceretti & Tanfani und der Nordamerikanische Vertreter Hall. Bis Mitte der 80er Jahre war die Klemme in den Katalogen der Hersteller, daher mein persönlicher Überbegriff „der Dinosaurier unter den Klemmen“. Demnach war sie für rund vier Jahrzehnte das Mass aller Dinge und daher Bestandteil der Geschichte von kuppelbaren Umlaufbahnen, was ein eindeutiger Rekord darstellt. Insgesamt gab es drei verschiedene Typen von Giovanola Klemmen. Typ eins eine Einfachklemme für 2er Kabinen. Als 4er Kabinen auf den Markt gebracht wurden war es Gesetzlich notwendig, zwei Klemmen zu verwenden und so wurde der Typ eins einfach verdoppelt, Typ zwei war geboren. Typ drei war in seiner Masse noch Grösser und entstand in den 80er für 6er Kabinen.

In der Schweiz müssen alle Anlagen welche mit Giovanola Klemmen ausgerüstet sind bis 2025 ersetzt oder stillgelegt werden. Heute am 26. Februar 2020 verkehren noch deren fünf Exemplare, siehe Fotos.